Die EU versucht seit Jahren den Mehrwertsteuer-Betrug zu bekämpfen. Über eine Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MWSYSRL) möchte die Union das Problem nun wirksam in den Griff bekommen.
Dazu hat die EU-Kommission am 08.12.2022 unter der Überschrift VAT in the Digital Age („ViDA“) einen Richtlinienentwurf erstellt. Dieser möchte wegen den Veränderungen im Handel und Geschäftsbetrieb durch die Digitalisierung eine mehrwertsteuerrechtliche Harmonisierung erreichen. Geplant ist daher die Mehrwertsteuersystemrichtlinie zwischen 2024 bis 2028 in verschiedenen Punkten zu ändern, unter anderem soll das Meldeverfahren geändert werden, was verschiedene Auswirkungen nach sich zieht.
Aktuelles Meldeverfahren in den EU-Ländern
Aktuell werden Zusammenfassende Meldungen (ZM) von den Unternehmen erstellt, die laut ViDA-Bericht verschiedene Mängel aufweisen. So enthalten diese nur aggregierte Daten für jeden Steuerpflichtigen und keine Daten für die einzelnen Umsätze. Deswegen ist es nicht möglich, Daten aus Lieferungen/Dienstleistungen mit Daten aus Erwerben abzugleichen, da die Meldung innergemeinschaftlicher Erwerbe nach der Mehrwertsteuerrichtlinie für Mitgliedstaaten optional ist und weniger als die Hälfte der Mitgliedstaaten diese Pflicht eingeführt hat.
Neben dieser Erhebungsproblematik gibt es eine Verwendungsproblematik: Diese Daten stehen Steuerbehörden in anderen Mitgliedstaaten nicht zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung, und zwar sowohl wegen den Einreichungsintervallen als auch aufgrund der Zeit, die die örtlichen Steuerbehörden für die Datenerfassung in das System benötigen.
Das soll künftig über elektronische, zeitnahe Meldungen verbessert werden, indem ein Echtzeit-Meldesystem eingeführt wird. Details dazu sind in Artikel 263 festgelegt:
- Die Informationen sind auf Umsatzbasis zu übermitteln.
- Die Übermittlungsfrist der Daten beträgt zwei Arbeitstage nach Rechnungsstellung oder wenn die Rechnung hätte ausgestellt werden müssen!
- Die Datenübermittlung muss auf elektronischem Weg erfolgen, wobei die Mitgliedstaaten die Mittel für diese Übermittlung bereitstellen müssen.
Grundsätzlich sind dieselben Angaben wie in der Zusammenfassenden Meldung zu machen, jedoch nicht mehr nach Erwerber bzw. Dienstleistungsempfänger, sondern nach Umsatz aufgeschlüsselt. Die bisherigen ZM sollen stattdessen entfallen.
Zusätzliche Meldedaten sollen Betrugsversuche aufdecken, deswegen sind ferner folgende Angaben von den Unternehmen zu berichten:
- der Verweis auf die ursprüngliche Rechnung bei Rechnungsberichtigungen,
- die Angabe des Bankkontos, auf das die Zahlung für die Rechnung erfolgt, und
- die vereinbarten Zeitpunkte für die Begleichung des Rechnungsbetrags.
Diese Meldungen erfolgen künftig nach EU-einheitlichem Format. Die Mitgliedsstaaten können diesbezüglich keine weitere Angaben über innergemeinschaftliche Umsätze verlangen, damit die Einheitlichkeit in den Ländern gewahrt bleibt.
Digitales Meldesystem für Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen (Artikel 271a bis 273)
Neben der Systemumstellung bei den Zusammenfassenden Meldungen soll es auch ein neues digitales Meldesystem für Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen geben (Artikel 271a bis 273). Die Merkmale dieses Meldesystems sind in Artikel 271b festgelegt und ähneln denen des o. g. Systems für innergemeinschaftliche Umsätze:
- Meldung auf Umsatzbasis, und
- Übermittlung der Daten zwei Arbeitstage nach Ausstellung der Rechnung oder – wenn der Steuerpflichtige seiner Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung nicht nachgekommen ist – zwei Tage nach dem Zeitpunkt, an dem die Rechnung hätte ausgestellt werden müssen
Folgen für die Rechnungsstellung: nur noch Rechnungen in Klardaten und keine PDF-Rechnungen mehr!
Die Meldungen sollen künftig auf Basis elektronischer Rechnungsdaten erfolgen. Damit wirkt sich die Meldungspflicht und die Anpassung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie auf die Rechnungsstellung aus:
Bisher sind Rechnungen auf Papier und elektronische Rechnungen in der Mehrwertsteuerrichtlinie einander gleichgestellt. Künftig muss im B2B-Bereich jedoch zwingend eine XML-Rechnung erstellt werden, damit obige zeitnahe Meldungen durchgeführt werden können.
Der Rechnungsempfänger* musste bisher der Ausstellung elektronischer Rechnungen immer zustimmen (Artikel 232 Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Dies hindert die Mitgliedstaaten daran, eine obligatorische elektronische Rechnungsstellung einzuführen, die als Grundlage für ein elektronisches Meldesystem dient.
Das soll sich nun ändern: Zunächst wird o. g. Artikel 232 gestrichen, so dass die Zustimmungspflicht zur elektronischen Rechnung entfällt! Weiterhin wird der Begriff „elektronische Rechnung“ an das Verständnis über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen angepasst, d. h. es entspricht nun dem XRechnungs-Prinzip – d. h. nur Daten sind für die Rechnungsinhalte entscheidend, ein Rechnungsbild ist nicht notwendig.
Zusätzlich wird die elektronische Rechnungsstellung als Standardverfahren für die Ausstellung von Rechnungen festgelegt. Die Verwendung von Rechnungen in Papierform wird nur noch in Fällen möglich sein, die von den Mitgliedstaaten genehmigt werden. Hierbei gilt:
Diese Genehmigung darf nicht für Fälle gelten, die den Meldepflichten nach Titel XI Kapitel 6 unterliegen, da dies die automatische Meldung der Daten behindern oder erschweren würde.
Das bedeutet nun:
Ist in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie die Rede von „elektronischen Rechnungen“, dann sind darunter künftig strukturierte elektronische Rechnungen zu verstehen. Das bedeutet, reine pdf-Rechnungen sind keine elektronischen Rechnungen mehr und künftig nicht mehr zulässig!
Es gibt darüber hinaus Änderungen bei den Inhalten und Formalanforderungen an Rechnungen:
Die Umstellung auf ein Meldesystem mit Echtzeit-Information bedingt, dass die Frist der Rechnungsstellung auf 2 Tage nach Inkrafttreten des Steuertatbestandes erheblich verkürzt wird (bisher 45 Tage).
Wegen der Echtzeit-Anforderung wird die Möglichkeit zusammenfassender Rechnungen für einen Abrechnungsmonat abgeschafft – kurzum: Sammelrechnungen können wie bisher nicht mehr ausgestellt werden.
Damit trägt jede elektronische Rechnung alle relevanten Informationen für das Meldesystem in sich und kann automatisch ausgewertet werden.
Für Unternehmen bedeutet das, dass sowohl bei der Erstellung von Ausgangsrechnungen als auch beim Empfang der Eingangsrechnungen im B2B-Bereich, das Ende der digitalisierten Papierrechnung und originären pdf-Rechnung eingeläutet ist. Wer jetzt noch keine digitalen Rechnungsprüfungs- oder Rechnungsversandprozesse hat, sollte sich bei der Digitalisierung beeilen!
Entwicklung in Deutschland? Gleiche Tendenz und Präzisierung des Zeitraums mit Umstellungsfrist im Wachstumschancengesetz!
Nach der Einholung von Meinungen bei Verbänden durch einen Referentenentwurf im April 2023 sind die Arbeiten fortgeschritten und im Wachstumschancengesetz sichtbar. Folgendes steht im Entwurf vom 14.07.2023:
1. im Sinne der EU-Regelung sind Papierrechnungen und pdf-Rechnungen gleichgestellt und gelten nur noch als „sonstige Rechnungen“.
2. Der Empfang von sonstigen Rechnungen wird zustimmungspflichtig, die elektronische Rechnung nach EN16931 soll Standard werden.
3. Die eRechnungspflicht wir zum 01.01.2025 vor dem eigentlichen Meldesystem eingeführt und die gesamte Einführung von elektronischen Rechnungen und Echtzeit-Meldesystem wird damit entzerrt.
4. Es gibt folgende Zeitplanungen für die elektronische Rechnungen, bei dem man den Wünschen der Wirtschaft nach einem Übergangsverfahren entgegenkam:
Vom 1. Januar 2025 bis zum 31. Dezember 2025 können zunächst noch sonstige Rechnungen (z. B. pdf-Rechnungen) versendet werden, soweit der Empfänger zustimmt.
Nach dem 01.01.2026 sind Papier- und pdf-Rechnungen nicht mehr erlaubt!
*Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag das generische Maskulinum verwendet. Die in diesem Beitrag verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.
Dieser Beitrag erschien zuerst im isreport Online & Guides
Bildquelle
Erzeugt mit DALL-E, Open AI
Autor
Dr. Dietmar Weiß ist ECM-Spezialist und unterstützt Unternehmen bei der Erstellung von Fachkonzepten, Prozessoptimierung, Einführung, Auswahl und Integration von ECM-Lösungen. Er hat Eingangsrechnungsbearbeitungssysteme bereits in über 15 europäischen Ländern eingeführt und für Installationen entsprechende Verfahrensbeschreibungen erstellt.
Ein weiteres Spezialgebiet ist die Planung und Durchführung der Migration von ECM- und Archivsystemen. Er arbeitet hierzu u.a. auch als freier Berater für PROJECT CONSULT Information Management GmbH
Regelmäßige Informationen zu ECM-Themen finden Sie auf www.weiss-buch.de