HR goes digital. Ob modernes Bewerbermanagement, Homeoffice oder die Einhaltung gesetzlicher Regularien im Fokus steht: Es geht nicht mehr darum ob, sondern wie neue digitale Prozesse und Informationen der HR kontinuierlich eingebunden und genutzt werden. Manche Mitarbeiter sind aber schon veränderungsmüde. Wie können sie mitgenommen werden?
HR-Abteilungen verstärken ihre Digitalisierung beim Recruiting, On- und Offboarding, bei der Personalentwicklung, im Vertragsbereich oder Führen von Personalakten. Sie versprechen sich davon schnelleres Suchen und Finden von Informationen, Datenschutz und Datensicherheit (EU/DSGVO) durch regelkonforme Prozesse. Last but not least können sie durch den digital workspace Mitarbeitern ortsunabhängiges Arbeiten bieten – eine wesentliche Voraussetzung heutzutage für die Mitarbeitergewinnung und -bindung.
Der Einsatz von Digitaltechnologien erfordert allerdings (große) organisatorische Umstellungen und nicht nur einmal, sondern kontinuierlich. In einem Report der Analysten von Gartner zum Thema „Worauf wird sich HR 2023 konzentrieren“1 wird nach „Effektivität von Führungskräften und Managern“ an zweiter Stelle bereits „Organisationsdesign und Change Management“ genannt. Für 53 % der Personalleiter hat dies oberste Priorität, und 45 % sagen, dass ihre Mitarbeiter von all den Veränderungen ermüdet sind.
Dies ist eine ernsthafte Herausforderung für den Ausbau digitaler Technologien.
Wie kommt es zu diesen Ermüdungserscheinungen?
Starten wir damit, dass Personalleiter den Auftrag haben, HR so umzugestalten, dass alle Beteiligten – Geschäftsleitung, HR-Mitarbeiter, Mitarbeiter im Allgemeinen und auch die anderer Fachabteilungen die neuen, automatisierten und digitalen Prozesse als erfolgreich akzeptieren. Eine Gradwanderung.
Es geht oft gleich los mit der Wahl eines Herstellers für HR-Systeme, ohne vorher eine exakte Strategie und eine genaue Vorstellung der Abbildung gewünschter Prozesse zu haben; Beteiligte werden nicht umfassend eingebunden – dies schafft Unmut und keine klaren Perspektiven. Der Hersteller verspricht, die passende Soft- und Hardware unter dem Label intelligentes Informationsmanagement – das elektronische Archivierung, Dokumentenmanagement, Workflow, KI und ML einschließt – zu liefern.
Künstliche Intelligenz, ChatGPT & Co
Es vergeht kein Tag, an dem uns die Künstliche Intelligenz, wie z.B. ChatGPT und andere Systeme nicht als die Lösung aller unserer Probleme präsentiert wird. Hersteller von HR-Systemen empfehlen Unternehmen, auf Cloud, People Analytics, Robotic Process Automation (RPA), Employee Self Service u.a. zu setzen. Ständig kommen neue Technologien und damit Veränderungen hinzu, organisatorisch und technisch. Sie machen vor keiner Branche, keiner Anwendung, keiner Systemlösung, keinem Menschen halt.
So müssen sich in der Zukunft auch Personaler die Frage stellen, ob Bewerber ihre Bewerbungsunterlagen selbst verfasst oder die Stellenanzeige einfach bei ChatGPT eingetragen haben und ihm ein fertiger Bewerbungstext inkl. Lebenslauf vorgeschlagen wurde.
Folgend auf die Digitalisierung in der „New Work“ gehören ganz sicher die Themen wie KI, die „intelligentes“ Informationsmanagement ausmachen und sich in einem modernen Recruiting Prozess wiederfinden. So können Bewerbungsgespräche, Mitarbeiter- oder Gehaltsgespräche nicht nur persönlich, sondern per Videokonferenz durchgeführt und geschützt verwaltet werden.
Viele dieser Punkte führen aber auch zu Unsicherheit und Veränderungsstress bei Mitarbeitern und darauf müssen Unternehmen gebührend eingehen.
Kommen wir aber dabei zu den Hauptaufgaben der digitalen Dokumenten- und Workflowmanagement-Systeme.
Digitales Herzstück für HR-Aufgaben
Die Frage lautet: Bilden diese Systeme das verlässliche Fundament für eine „digitale Personalakte“ als digitales Herzstück der HR? Hier fließen schließlich sämtliche sensible Informationen der Personalarbeit zusammen. Was genau sind aber die Bausteine für die Verwaltung von Bewerber- und Mitarbeiterdaten?
Unternehmen stehen nicht mehr auf der grünen Wiese. Sie setzen HR- und Entgeltsysteme (z. B. SAP, Sage, Oracle etc.) zur Verwaltung von Personaldaten ein. Aber Personalmitarbeiter haben immer noch Probleme, damit verbundene Dokumente wie Lebensläufe und Zeugnisse, Verträge, Gehaltsabrechnungen, E-Mails mit PDF-Anhange etc. schnell zu finden und zu bearbeiten. Es gilt, alle Informationen und Prozesse an einer Stelle zusammenzuführen. Die digitale Antwort darauf lautet: Digitale Personalakte.
Wer noch keine digitale Personalakte (DPA) eingeführt hat merkt, wie schwierig es ist, den Überblick über sämtliche relevante Daten und Dokumente zu haben und Workflow-Prozesse am Laufen zu halten. Der Zugriff auf Informationen und Akten ist im Zeitalter der digital Workspaces ohne DPA fast unmöglich. Digital vernetztes Arbeiten, z.B. zwischen Bewerbern, dem Recruiting- und Verwaltungspersonal findet nicht statt. Von Schatten-IT mit Problemen bei Datensicherheit und Datenschutz mal ganz zu schweigen, da die Informationen in vielen Quellen und Orten liegen. Die Einführung einer digitalen Personalakte schafft Mitarbeitern den 360° Blick. Viel lästiges Suchen entfällt und sie werden dadurch entlastet. Auch das Nachhalten und Sicherstellen rechtlicher Anforderungen wird erleichtert.
Die HR- Abteilungen benötigen zur Einführung einer digitalen Personalakte die notwendigen internen oder auch externen Ressourcen, um sie erfolgreich zu etablieren. Bei der Auswahl der Systeme sollte auf jeden Fall neben der Optimierung der Prozesse der Mensch, sei es der Mitarbeiter, Bewerber, oder HR-User, im Vordergrund stehen.
All dies dient dazu, Mitarbeiter auf der digitalen Reise mitzunehmen, sich mit vorhergehenden geänderten Organisationsschritten zu versöhnen und weiteren digitalen Technologien bzw. Prozessen positiver zu begegnen.
Mission Intelligent Information Management (IIM)
Die Ziele lauten: möglichst viel automatisieren, Informationen optimiert erfassen, sie besser zu erschließen und Anwendern vollständig, aktuell und richtig zur Verfügung zu stellen. Unter dieser Flagge laufen Dokumentenmanagement, Enterprise Content (ECM) / Information Management oder Content Services bereits. Aber nur mit darin integrierter KI für das wirklich intelligente Informationsmanagement schaffen Unternehmen vollständiges Content Understanding über ihre unternehmensweiten Fachbereiche, Dokumente, Daten und Prozesse: Künstliche Intelligenz, Maschinenlernen, Analytics und Digital Process Automation führen zu digitalen end-to-end-Prozessen und optimal vernetzten Informationen.
Informationen erschließen = A & O des IIM
Werden Informationen nicht richtig erschlossen, sind die Suchergebnisse nicht so, wie man sie sich erhofft. KI schafft Abhilfe beim Erschließen von Informationen über Suche, Retrieval und Navigation und liefert die geforderte Informationsqualität. Wie das geht? KI und Analytics zerlegen Informationsobjekte in ihre Bestandteile und kombinieren sie zu neuem Wissen. Das macht es für Anwender viel einfacher und übersichtlicher. Weitersuchen und Blättern in einem Dokument aus der Ergebnisliste wie früher sind nicht mehr nötig. KI stellt für sie die Daten mit den gewünschten Details und Informationsabschnitten inklusive Links zusammen. Dies erleichtert Anwendern ihre Arbeit enorm und sie können Dokumente viel effizienter nutzen.
KI sichert Information Governance und den Wert der Information
Ein weiterer Vorteil der KI liegt darin, dass ihre Analytics- und eDiscovery-Funktionalität den Wert der Information erhält. In Unternehmen kommen unterschiedliche, zum Teil konkurrierende rechtliche Anforderungen vor. Dies erfordert zwingend ein effizientes Informationsmanagement einschließlich umfassender Compliance des Information Governments. Informationen müssen korrekt mit Orten (Aufbewahrung), Nutzung, Rechtscharakter und Wert der Information dokumentiert werden. Machine Learning ergänzt dabei Analytics und eDiscovery-Funktionalität. So können auch heterogene, schwach strukturierte Informationsbestände durch KI-basierte Technologien erschlossen werden.
Do it yourself – Employee Self-Service“ (ESS)
Ein ESS-System ist für viele Personaler nicht mehr wegzudenken, da es sie in der Personalverwaltung sehr unterstützt. Über ein ESS-System greifen Mitarbeiter auf ihre personalbezogenen Daten zu, die mit ihrer digitalen Personalakte verknüpft sind, und nutzen personalrelevante Prozesse (Workflow). Es gibt viele Anwendungsfelder, die ESS als Mittel der Personalverwaltung interessant macht.
Ihr Arbeitszeitkonto führen, Reise- und Urlaubsanträge, Anmeldung zu Weiterbildungsmaßnahmen, Reisekostenabrechnungen, Qualifikationsprofile, oder Kontaktdaten – das alles und noch einiges mehr können Mitarbeiter selbst vornehmen. Voraussetzung und unbedingt erforderlich ist aber, dass das System mit der digitalen Personalakte verknüpft bzw. darin integriert ist und Datensicherheit und Zugriffschutz garantiert.
Ein ESS-System kommt z. B. als Software as a Service (SaaS) oder im Unternehmens-Intranet zum Einsatz. Es bietet deutliche Entlastungen in den Personalprozessen und erspart Personalern wie Mitarbeitern viel Zeit.
Entscheidungsprozesse optimieren by People Analytics
Welche andere Datenbasis zum Analysieren von Daten aus dem Personalwesen wäre noch besser geeignet als die Digitale Personalakte? Sie bietet ein Potential an aktuellen und validen Daten. Daraus lassen sich mithilfe von People Analytics Tools wichtige Trends und Vorhersagen ableiten.
Was sind das für Daten? Zum einen z.B. Berufshistorie und Bewerbungsunterlagen der Mitarbeiter, zum anderen externe Datenquellen wie von statistischen Ämtern, Bundesagenturen oder Forschungsinstituten
Welche Datenanalysen hierbei möglich sind:
• Recruitingkanäle analysieren und optimieren
• Fluktuation verringern
• Personalentwicklung strategisch angehen
• Mitarbeitermotivation steigern
Aber darf man das einfach so? Was Datenschützer zu derartigen Auswertungen sensibler Mitarbeiterdaten sagen: „Grundsätzlich müssen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die Regelungen der EU-DSGVO sowie die Persönlichkeitsrechte strengstens beachtet werden. Erfolgt die Analyse jedoch nicht personenbezogen, sondern anonymisiert, gibt es dazu keine gesetzlichen Restriktionen.“ Trotzdem und besser ist es: feste und kontrollierbare Regeln und Prozesse für die Anwendung und Nutzung sollten selbstverständlich sein!
Frag doch mal den Chatbot
Auch hier steckt selbstlernende KI drin, die immer besser wird. Mitarbeiter und Bewerber können auf der Unternehmenswebsite als erste Anlaufstelle Fragen rund um Personalthemen klären. Das entlastet die Personalverwaltung als ersten Schritt im Bereich einfacher Fragen. Der Chatbot kann Mitarbeitern z.B. automatisiert Auskunft zu gesetzlichen, betrieblichen und tariflichen Themen geben. Sie können dem Chatbot auch eigene Informationen übermitteln wie vergessene Zeiteinträge. Wenn dann ein System wie SAP integriert ist, kann der Bot die Daten automatisch darin einspielen. Bewerber stellen Fragen wie “Welche Punkte müssen in einer Online-Bewerbung berücksichtigt werden” oder “Wie läuft der nächste Schritt beim Recruiting Prozess ab?” Dies kann sehr gut und korrekt durch die KI beantwortet werden Ein Bot kann auch den HR-Recruiting-Prozess unterstützen und z.B. benötigte Dokumente einzeln abfragen – eine gute Hilfe für den Kandidaten und das HR- Team gleichermaßen. Aber auch hier ganz wichtig: Aufbewahrungspflichtige Chatverläufe sollten bei Bedarf auch automatisch in der Digitalen Personalakte abgelegt werden.
Der Mensch im Mittelpunkt
Unternehmen sollen attraktive Arbeitgeber sein und gleichzeitig mit der steigenden Komplexität in dieser Welt, dem hohen Tempo und dem Veränderungsdruck auch durch die Digitale Transformation mithalten. Die Auswirkungen auf die Mitarbeiter? Die SoftSelect Studie HR 2021/20222 stellt an ihren Anfang das Zitat von Hans Christoph von Rohr, deutscher Industriemanager und Politiker: „Kapital lässt sich beschaffen, Fabriken kann man bauen, Menschen muss man gewinnen.“ Renato Herrmann meint „Mein Credo für die Bewältigung der Einführung, dem Ausbau oder der Migration von HR-Systemen lautet ‚Strategie vor Organisation, Mensch und Organisation vor Technik‘. Das sollte im Zentrum stehen, besonders im Changemanagement bei den nötigen Veränderungsprozessen.“
Personalmanager müssen Mitarbeiter vorbereiten und bei der Umstellung in die digitale Transformation begleiten. Mitarbeiter sollten die Ziele kennen, frühzeitig eingebunden werden, die Vorteile der neuen digitalen HR-Systeme verstehen und nicht einfach vor vollendete Tatsachen gestellt werden. So werden Ängste abgebaut, die Akzeptanz erhöht sich und die Einführung wird drastisch erleichtert.
1Gartner Studie Priorität Nr. 2: Organisationsdesign und Change Management https://www.gartner.de/de/artikel/worauf-wird-sich-hr-2023-konzentrieren
2 SoftSelect HR-Studie 2021/2022 http://www.softselect.de/it-studien/hr-software-studie-2021
*Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag das generische Maskulinum verwendet. Die in diesem Beitrag verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Special HR Performance HRP zu „Digitale HR-Verwaltung“, Datakontext GmbH
Bildquelle
Erzeugt mit DALL-E, Open AI